26 % der bundesdeutschen Bürger glauben, "das Sternzeichen bzw. das Geburtshoroskop eines Menschen" habe einen "Einfluß auf den Verlauf des Lebens". Die etwa 6.000 Astrologen Deutschlands setzen nach einer vorsichtigen Schätzung jährlich etwa 150 Millionen EUR auf der Basis dieses Glaubens um. Genauer betrachtet gibt es "die" Astrologie im Singular allerdings gar nicht: Der einzige gemeinsame Nenner einer Vielzahl untereinander zerstrittener astrologischer Schulen ist die Behauptung eines Zusammenhangs zwischen den Stellungen von Gestirnen und irdischen Geschehnissen. Welche Gestirne relevant sein sollen und welche Bedeutung sie im einzelnen haben, ist unter Astrologen ebenso umstritten wie die Frage, welche irdischen Erscheinungen nun betroffen sein sollen: Horoskope werden nicht nur für Menschen erstellt, sondern auch für Staaten, Firmen, Haustiere, Autos, Börsenkurse und vieles andere mehr.
Warum ein solcher Zusammenhang überhaupt existieren soll, bleibt offen. Während manche Astrologen davon ausgehen, es gebe kausale Einwirkungen und Einflüsse aus dem Kosmos, behaupten andere, das Horoskop sei nur ein Symbolsystem, in dem sich ein "kosmisches Analogie-Prinzip" manifestiere. Die Aussagen der Trivial-Astrologie in den Tageszeitungen, bei denen die gesamte Menschheit kurzerhand in 12 Tierkreiszeichen eingeteilt wird, werden in der Regel von Journalisten - ohne die geringsten astrologischen Kenntnisse - verfaßt bzw. frei erfunden. Dem stehen komplexe "individuelle" Horoskope gegenüber, die aus Hunderten von Deutungselementen bestehen. Auch bei Verwendung eines falschen Geburtsdatums finden sich in einem derartigen Horoskop zwangsläufig eine Reihe richtiger Aussagen, was sich bei der Vielzahl der teilweise auch widersprüchlichen Deutungselemente gar nicht vermeiden läßt.
Arbeiten die Astrologen mit einem Jahrtausende alten Erfahrungswissen, dessen Ursprung sich im Dunkel der Zeiten verliert? Wer dies behauptet, betreibt eine kaum zu überbietende Geschichtsklitterung, denn wir wissen heute über die historischen Entstehungsbedingungen des Horoskopglaubens relativ gut Bescheid. Die Vorstellung, der Lauf der Gestirne solle uns Menschen auf zukünftige irdische Entwicklungen hinweisen, entstand zu einer Zeit, als man noch nicht die geringste Ahnung hatte, was diese Gestirne überhaupt sind: Man hielt sie für Götter, deren Fingerzeige und Omen furchtsam zu befolgen waren. Die Deutungen basierten nicht auf systematischen Beobachtungen, sondern großteils auf voreiligen Analogieschlüssen und den Mythologien einer polytheistischen Astralreligion. Astrologie als Charakterdeutung für einzelne Individuen ist nur wenig älter als das Christentum (das erste bekannte Horoskop datiert auf den 29. April 410 v. Chr.), viele heute gebräuchliche Deutungsregeln stammen erst aus dem Mittelalter oder aus der Neuzeit.
Aus naturwissenschaftlicher Sicht erscheint jede Form der Astrologie unhaltbar. Durch die Fortschritte der modernen Astronomie kennen wir heute den Aufbau des Weltalls gut genug, um zu erkennen, daß der von Astrologen behaupteten "Harmonie zwischen Kosmos und Mensch" ein historisch überholtes Zerrbild des Kosmos zugrunde liegt. Tatsächlich bestehende Einflüsse der Gestirne auf die Erde sind viel zu gering und auch anders geartet, um als Argumente für astrologische Behauptungen dienen zu können.
Trotzdem berichten viele Menschen erstaunt von der Treffsicherheit ihres Horoskops. Sie sind weder dumm noch leichtgläubig. Aus der wissenschaftlichen Psychologie kennen wir zahlreiche psychologische Mechanismen, die bewirken können, daß ein Horoskop als sehr überzeugend empfunden wird, selbst dann, wenn es überwiegend unzutreffende Aussagen und Allgemeinplätze enthält (einige dieser Mechanismen werden im Abschnitt "Wahrsager" beschrieben). Eine zuverlässige Entscheidung aber, ob nun astrologische oder psychologische Mechanismen hinter den Evidenzerlebnissen im Zusammenhang mit Horoskopen stecken, können nur kontrollierte wissenschaftliche Tests und Statistiken herbeiführen. Die Ergebnisse der zahlreich vorliegenden statistischen Untersuchungen sprechen eindeutig gegen die Annahmen der Astrologie. Auch die lange Zeit umstrittenen Resultate von Michel Gauquelin, der auf statistischer Grundlage eine " Neo-Astrologie" aufbauen wollte, konnten kürzlich widerlegt werden.
Nach einer Studie von 1998/99 halten es ca. 40% der Westdeutschen zumindest für wahrscheinlich, dass das Sternzeichen einen Einfluss auf den Verlauf des Lebens hat, während es in Ostdeutschland mit ca. 24% deutlich weniger sind. Einbauen könnte man auch den Barnum-Effekt als mögliche Erklärung für den Glauben: Darunter versteht man die Tendenz, allgemeine und vage gehaltene Aussagen als für einen persönlich zutreffend zu betrachten. Typische Barnum-Aussagen wären "Sie neigen zur Selbstkritik" oder "Zuweilen haben Sie ernste Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen oder das Richtige getan haben". Fast 100% von beliebig befragten Personen bejahen diese Aussagen. Die psychologische Forschung hat trotz uneinheitlicher Ergebnisse verschiedener Studien, insgesamt keinen Zusammenhang zwischen Geburtszeitpunkt und den Charakterzügen eines Menschen gefunden. Fazit: Die Astrologie ist nach wie vor beliebt, die Qualität der astrologischen Lebensberatung hängt stark von den Kompetenzen des Astrologen ab, jedenfalls entnimmt der Astrologe keine Informationen aus dem Horoskop, sondern er legt sie dort hinein. Dadurch kann er natürlich zu richtigen Aussagen und sinnvollen Empfehlungen kommen. Nur hat dies nichts mit der Astrologie zu tun, sie gaukelt den Kunden nur vor, dass die Aussagen und Empfehlungen eine "höhere" Legitimation haben, als wenn ein normaler Psychologe ein Beratungsgespräch führen würde.